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  • AutorenbildElisabeth

Freiheit - Digitale Kommunikation

Ja, ich fühle mich schuldig wenn ich zu lange mit einer Antwort brauche. Trotzdem reagiere ich teilweise monatelang nicht auf eure Nachrichten. Gerade habe ich versucht, zum Thema "Überforderung mit digitaler Kommunikation" zu recherchieren, doch finde nur Artikel über Senioren, Skills am Arbeitsplatz oder darüber, wie unhöflich es doch sei, Nachrichten zu ignorieren. Das Schweigen sende auch eine Nachricht, im realen Gespräch würde man sich auch nicht einfach abwenden. Ach. Im realen Gespräch prasseln die Fragen, Aussagen und Forderungen auch nicht von zwanzig Seiten gleichzeitig auf mich ein. Das reale Gespräch hat irgendwo ein Ende und ich kann zur Ruhe meiner eigenen Gedanken zurückkehren. Bin ich wirklich die Einzige mit diesem Problem? Oder lediglich die einzige Person, welche einen so schlechten Umgang damit pflegt?

Ja, ich sollte mein Handy einfach gar nicht erst in die Hand nehmen wenn mir die Zeit zum Antworten fehlt. Doch wie die meisten habe ich es nun mal ständig dabei. Wie viel unhöflicher ist es, Nachrichten zu lesen und unbeantwortet zu lassen als sie gar nicht erst abzurufen? Und wieso sollte mir Höflichkeit bei einem solchen Thema wichtiger sein als meine psychische Gesundheit? Die Nachrichtenflut, welche mich täglich auf diversen Kanälen erreicht, bereitet mir großes Unbehagen. Ganz unabhängig davon, dass ich den Kontakt zu jenen Leuten wünsche, die mir schreiben. Ganz unabhängig davon, dass sie mir am Herzen liegen und ich gerne von ihnen höre. Ist das möglich? Scheinbar nicht. Anscheinend bedeutet meine Funkstille, dass du mir egal bist. Während deine Einstellung, ich könne doch wohl gefälligst mal kurz antworten, etwas anderes besagt: Nämlich, dass du der Meinung bist, alleine auf der Welt oder in meiner Kontaktliste zu sein. Dir kurz zu schreiben bedeutet für mich, ebenso gut den dreißig anderen Leuten schreiben zu können, die teilweise noch deutlich länger darauf warten. Etwa einmal pro Woche setze ich mich hin und versuche, die liegengebliebenen Nachrichten zu beantworten. Das ist Arbeit für mich, ich tue es nicht gern. Und nochmal: Das hat nichts mit den Verfassern jener Nachrichten zu tun. Wären wir alle auf der derselben Party, ich würde mich gerne stundenlang mit euch unterhalten. Doch dem ist nicht so. Ihr seid nicht hier. Und ich - hänge ich mein Gesicht in das Handy und meine Gedanken in jene Kommunikation - bin es auch nicht. Ich bin nicht im Hier und Jetzt und ich hasse das. Leider habe ich keinen blassen Schimmer, was ich gegen dieses Phänomen tun kann. Direkt antworten? Beim Staubsaugen, Einkaufen, im realen Gespräch mit anderen Menschen? Nein. Gedankenlose Standardsprüche zurücksenden? Nein. Versuchen, mich zu erklären und doch weiterhin schlecht dabei zu fühlen? Funktioniert für mich auch nur mittelmäßig. Ich weiß, dass ich traurig wäre ohne eure Nachrichten. Ich weiß, dass ich selbst oft Konversationen starte und ungern so lange auf eine Antwort warten würde wie ihr es tut. Ich weiß eure Geduld und euer Verständnis wahnsinnig zu schätzen.

Was ich nicht verstehe, ist die Einstellung oder Anforderung der Gesellschaft, immer und überall für alle erreichbar sein zu müssen. Ich habe eine derartige Vereinbarung nie unterschrieben und weigere mich, den ungestörten Verlauf meines Alltags oder meiner Gedankengänge einer Zeit zu opfern in die ich zufällig geboren wurde.

Bitte schreibt mir, ob es euch ähnlich geht und ihr die Diskrepanz zwischen Höflichkeit gegenüber anderen und dem Erhalt der eigenen Freiheit täglich zu überbrücken versucht. Oder ob die beiden für euch deckungsgleich sind. Bitte schreibt mir, ob ihr euch klar für das eine oder andere entscheiden könnt. Bitte schreibt mir, aber erwartet keine Antwort. Wisst, dass ich dann glücklich bin.

elisabeth schwachulla by andre leitol feld

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