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Ein paar Gedanken zur Liebe

Manche Leute wirken gelangweilt oder gar genervt von dem Thema – so als Thema, meine ich. „Herrje handelt dies und jenes etwa wieder von der Liebe?“ Ja, beinahe alles handelt davon, sogar Harry Potter. Auch in Poetry-Slam-Kreisen wird sich gerne darüber lustig gemacht, dass viele Auftretende über die Liebe schreiben. Dennoch tat ich es, dennoch wird mein Text „Was du Liebe nennst“ durchweg positiv aufgenommen.


Ich finde, solange es keine Klischees bedient, wird das Thema nie alt oder langweilig. Und zwar aus einem guten Grund:

Die Liebe ist sicher so alt, wie das Leben. Ist so allgegenwärtig und vielfältig ausgeformt, wie das Leben aller Individuen.


Und ebenso wie das Leben, kann man die Liebe nicht beschreiben. Viel leichter zu greifen und zu verstehen ist die Abwesenheit von Leben oder Liebe. Die beiden sind auch ganz offensichtlich anwesend – sofern sie es sind – doch irgendwie nicht in Worte zu fassen.

Daher sind sämtliche Werke über die Liebe nur Annäherungsversuche an etwas Unbeschreibliches. Sind der Versuch, anderen etwas verständlich zu machen, das man nur durch die eigene Erfahrung verstehen kann.

Für mich ist Liebe wie die Zeit. Wir alle erleben sie in irgendeiner Form – immer anders, immer subjektiv. Wir alle wissen oder ahnen, was sie ist – auch wenn wir sie nicht verstehen können. Wir haben uns auf eine Art geeinigt, die Zeit zu messen. Doch entspricht dies wirklich unserem Empfinden? Ich behaupte: Nein. Ebenso wie alle Erkenntnisse, die wir über die Liebe haben, nicht wirklich zuzutreffen scheinen. Zumindest nicht komplett. Sie sind wie Uhren, die zehn Minuten messen – egal, ob man ein Video ansieht, auf den Bus oder dringend auf das Freiwerden der Toilette wartet. Uhren, die wenige Sekunden anzeigen – auch wenn es die letzten sind, bevor die Mikrowelle endlich piepst.

Die Zeit, das Leben, die Liebe... Wir können versuchen, sie zu messen, um etwas Orientierung zu bekommen Und doch reicht dies nicht an alles heran, was wir dabei empfinden.

Elisabeth Schwachulla Gedicht Liebe Wut

Oft geht es in vermeintlichen Liebesliedern, -Gedichten oder sonstigen Kunstformen jedoch vielmehr um Verliebtsein, Begehren und Entzücken, als um wahre Liebe. Um all diese positiven und intensiven Gefühle, welche man für andere Menschen aufbringen kann. Diese sind schön, sind sicher Teil von Liebe, doch berühren den Kern des Themas kaum.

Wer wirklich liebt, nimmt mit offenen Armen auch die Schattenseiten einer anderen Person an.


Aus diesem Grund ist Selbstliebe so unfassbar wichtig, um auch andere lieben zu können.

Denn ich kenne mich selbst am besten. Kenne meine Vergangenheit, meine Erfahrungen, meine Weltanschauung und Beweggründe. Ich kenne mein Inneres als komplexes Geflecht von Erlebnissen und Entscheidungen, die einander beeinflussen und mein Verhalten bestimmen. Ich kenne Traumata und Trigger, kenne Ängste und Vermeidungsstrategien... Zumindest sollte ich all das kennen, sofern es existiert.

Nun müsste ich selbst mir doch meine Fehler und Irrtümer am ehesten verzeihen können – da ich um ihren Ursprung weiß.

Jeder Mensch ist so einzigartig wie kompliziert. In Beziehungen werden wir mit Personen konfrontiert, die sich von uns unterscheiden und sind gezwungen, damit umzugehen.

Der richtige Weg ist hierbei der gleiche, wie in Bezug auf uns selbst. Wir müssen versuchen, einander zu verstehen. Denn jeder Mensch macht Fehler, jeder Mensch hat Schatten – wie sonst sollen wir diese verzeihen, ja gar liebend annehmen können?


Elisabeth Schwachulla Liebesgedicht

Wo immer die vermeintliche Liebe thematisiert wird, lässt man diesen Aspekt gerne außer Acht. Es scheint, als würde sie nur Schönheit beinhalten, als würde gegenseitige Anziehung ausreichen, um eine stabile Verbindung zu schaffen.

Als würden sämtliche Stolpersteine von außen in den gemeinsamen Weg gelegt, anstatt sich in den unterschiedlichen Persönlichkeiten zu finden. Dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit.


Wer im Gegenüber nur Sonnenseiten sieht, kennt es nicht wirklich. Verehrt vielleicht ein Bild, doch keine komplette Person. Wer fremde Fehler verzeiht, eigene allerdings nicht, idealisiert die andere Person. Wer idealisiert, liebt nicht, sondern bewundert.

Die Qualität einer Beziehung hängt also zu einem großen Teil von der Fähigkeit ab, Menschen zu verstehen und als fehlbare, wandelbare Wesen zu begreifen. Je mehr wir bereit sind, uns selbst kennen und annehmen zu lernen, desto eher wird es uns bei Partner:innen, Verwandten und Freunden gelingen. Sich selbst zu öffnen ebenso wie andere wahrhaftig zu betrachten, kann anstrengend sein. Liebe ist das Gegenteil der Angst, die uns Menschen voneinander getrennt hält. Die Angst vor Ablehnung, vor Urteil, vor Verletzung.

In gesunden familiären und freundschaftlichen Beziehungen ist diese Liebe beinahe automatisch vorhanden – vermutlich auch, weil uns im Gegensatz zu romantischen Beziehungen kein falsches Bild von deren Gestaltung vermittelt wird. Auch, weil man sich mit allen Sonnen- und Schattenseiten kennen lernt. Ich liebe meine Brüder von ganzem Herzen. Was bedeutet, dass ich ihnen alles verzeihen würde. Keine ihrer Eigenschaften beeinträchtigt unser Verhältnis. Keine ihrer Entscheidungen könnte etwas an unserer Beziehung ändern oder sie gar beenden. Um unsere Verbindung zu schätzen, reicht es mir, zu wissen, dass wir einander lieben. Und diese Liebe bewirkt ohne jegliches Zutun, dass wir einander nie absichtlich verletzen würden.


Elisabeth Schwachulla Gedicht Liebe heißt

Romantische Beziehungen scheinen so viel höheren Ansprüchen gerecht werden zu müssen. Ich vermute, dass wir ganz einfach falsche Vorstellungen umsetzen wollen.

Wir suchen nach einem Menschen, der uns nur Sonnenseiten gibt, anstelle von einem, dessen Schatten wir lieben können.


Manchmal glauben wir, die Liebe gefunden zu haben. Dann stellen wir fest, dass es nicht „die wahre Liebe“ war.


Wir nutzen diese Formulierung, wie auch „das wahre Leben“, um etwas von einander abzugrenzen. Dabei sind sowohl Liebe als auch Leben entweder wahr, oder gar nicht vorhanden.

Nachdem ich mich jahrelang immer wieder fragte, ob dies nun „die wahre Liebe“ sei, durfte ich inzwischen erkennen:

Wenn es Liebe ist, weiß man es.


Elisabeth Schwachulla Gedicht wahre Liebe

Lassen wir uns von ihrer Unbeschreiblichkeit nicht verwirren.

Dass wir sie nicht bestimmen können, macht sie nicht weniger wahr.

Finden wir den Mut, sie zuzulassen und verlieren wir nicht den Glauben an sie.


Sie ist, denn wir sind ja auch.


Sie ist die Zeit und wir sind der Raum.


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